IOTA

Die Entstehung des Tangles

Kennst Du den Unterschied zwischen einer Blockchain und dem Tangle? Dieser Artikel erklärt Dir die Einzelheiten und zeigt, warum wir den Tangle für das Internet der Dinge und vieles andere brauchen.

TEXT SEBASTAN HEUSSER

Der Tangle ist die grundlegende Technologie, auf der die Ökonomie und der Datenaustausch des Internet der Dinge aufbauen soll. Ein Protokoll, mit dem man Werte und Daten in einem verteilten System gebührenfrei austauschen kann. Aber warum kann man dafür nicht einfach eine Kryptowährung wie Bitcoin nutzen? Um das zu verstehen, muss man sich die Projekte und deren Grundlage im Detail anschauen. Wir reisen also zurück zu den Anfängen.

Am Anfang war die Blockchain

m Jahr 2008 wurde die erste Blockchain - der Bitcoin - geboren. Ein bis heute unbekannter Entwickler veröffentlichte unter dem Synonym Satoshi Nakamoto den Quellcode und ein Grundsatzdokument mit dem Titel Bitcoin: Ein elektronisches “Peer-to-Peer” Bezahlsystem. Der Begriff Peer-to-Peer bedeutet, dass Geräte direkt und ohne Umwege miteinander kommunizieren. Der Bitcoin ermöglichte erstmals einen dezentralen Werteaustausch ohne zentrale Autorität und wurde schnell als digitales Geld bekannt. Zum ersten Mal konnte man Geld versenden und empfangen, ohne vorher auf einer Bank oder Webseite ein Konto eröffnen zu müssen. Schnell wurde das Konzept von Bitcoin zum Erfolg und als Grundlage für viele weitere Projekte und Ideen genutzt. Man konnte den offenen Quellcode von Bitcoin herunterladen, bearbeiten und somit ganz einfach eine neue Blockchain erstellen und in Betrieb nehmen. Viele Entwickler haben das genutzt, sodass unzählige Kopien der Bitcoin Blockchain mit meist nur minimalen Änderungen veröffentlicht wurden. Jede Blockchain hat dabei eine eigene Werteinheit und diese werden ähnlich wie Aktien auf Online-Börsen gehandelt.

Die erzeugten Werte innerhalb einer Blockchain nennt man Token. Wie viele Token auf einer Blockchain existieren und wann neue Token erzeugt werden können, wird von den Programmierern am Anfang definiert. Die Token auf der Bitcoin Blockchain nennt man üblicherweise Bitcoin. Neue Bitcoins werden mit jedem neuen Block erschaffen, allerdings reduziert sich die erschaffene Menge Stück für Stück bis die maximale Anzahl, von 21 Millionen Bitcoins, erreicht wurde. Das Versenden von Bitcoins ist zwar sicher und bis zu einem gewissen Grad anonym, aber nicht kostenlos. Transaktionsgebühren bieten einen Anreiz, damit auch nach dem Generieren des letzten Bitcoins immer noch neue Blöcke an die Blockchain angehängt werden. Dieses Validieren übernehmen beim Bitcoin die sogenannten Miner, die mit sehr viel Rechenleistung zufällige Zahlen generieren. Diese zufällige Zahl ist Teil eines Rechenpuzzles, das etwa alle 10 Minuten von einem Miner aus dem Netzwerk gelöst wird. Der Miner, der zuerst ein passendes Ergebnis gefunden hat, schreibt den nächsten Block mit den neuen Transaktionen und bekommt die neu erzeugten Bitcoins, sowie alle Gebühren der enthaltenen Transaktionen. Dies löste einen Wettkampf der Miner nach mehr Rechenleistung aus. Wer mehr Rechenleistung hat, kann schneller zufällige Zahlen generieren und erhöht somit seine Chancen die Belohnung für den Block zu kassieren. Dieses Rennen führte dazu, dass sich das Netzwerk der Bitcoin-Miner immer mehr auf große Rechenzentren beschränkte und Bitcoin damit wieder weniger dezentral wurde. Die enorme Rechenleistung, welche für die Suche nach einer gültigen Zufallszahl gebraucht wird, hat aber noch einen anderen Preis - einen sehr hohen Stromverbrauch. Eine einzelne Transaktion verbraucht in etwa so viel Energie wie ein durchschnittlicher US Haushalt in 21 Tagen. Der CO2-Fußabdruck ist vergleichbar mit dem von Dänemark und das hauptsächlich für Berechnungen, die uns an Rubbellose erinnern. Viel Müll und einer gewinnt. Die von Minern auf ihre Gültigkeit geprüften Transaktionen, werden also bündelweise an die Blockchain angehängt. Was aber passiert nun, wenn viele Transaktionen abgewickelt werden sollen, sprich sehr viele Leute mit Bitcoins bezahlen wollen? Um das zu verstehen, schauen wir uns einen solchen Block nochmal genauer an. Blöcke sind auf eine gewisse Größe beschränkt, was bedeutet, dass nur eine bestimmte Anzahl an Transaktionen in einen Block passt. Da das Anhängen neuer Blöcke auf zehn Minuten getaktet ist, müssen einige Transaktionen buchstäblich auf den nächsten Block warten. Wenn es sehr viele Transaktionen gibt, kann es aber auch vorkommen, dass einige davon erst sehr spät oder sogar niemals in der Blockchain aufgenommen werden. Hier spricht man vom Bottleneck - neudeutsch für Flaschenhals - der Blockchain. Folgende Grafik verdeutlicht die Funktionsweise eines solchen Flaschenhalses:

TODO: SVG [Der Flaschenhals einer Blockchain] Der Flaschenhals einer Blockchain

Hierbei wird deutlich, dass bei einer hohen Anzahl an zu verarbeitenden Transaktionen nur ein Teil auch wirklich in die Blockchain aufgenommen werden kann. Durch ein zusätzliches Anreizsystem, dass Miner die Summe aller Transaktionsgebühren im Block bekommen, wählen diese natürlich die Transaktionen mit den höchsten Gebühren aus. Folglich rücken die Transaktionen mit den geringsten Gebühren automatisch in der Warteschlange immer weiter nach hinten. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, für die Verarbeitung der Transaktion eine hohe Gebühr zu zahlen, damit diese auch sicher in die Blockchain aufgenommen wird.

Dann kamen die Tauschbörsen

Bitcoin, wie auch viele andere Kryptowährungen, können auf Tauschbörsen gegen Zahlungsmittel wie Euro oder Dollar getauscht werden. Somit erhalten diese Token einen gewissen Wert. Da die Transaktionskosten bei Bitcoin auch mit Bitcoin bezahlt werden, steigen die Transaktionskosten entsprechend dem Wert der Token. Ein Beispiel: Würde nun die Anzahl der Bitcoins, die man bei einer Transaktion als Gebühr zahlt, einem Euro entsprechen und der Kurs des Bitcoin würde sich verdoppeln, so zahlt man zwar immer noch die gleiche Anzahl an Bitcoins, in Euro zahlt man aber dann doppelt so viel an Transaktionsgebühr. Bei dem Kurshoch 2017 stieg das generelle Interesse an Bitcoin-Transaktionen stark an, sodass für Gebühren immer mehr gezahlt wurde, um einen Platz in der Blockchain zu ergattern. Beim Höchstpreis von ca. 20.000 US-Dollar pro BTC betrug die Transaktionsgebühr schließlich etwa 60 US-Dollar. Doch selbst mit einem niedrigen Kurs sind die Transaktionsgebühren einfach zu hoch, um damit beispielsweise einen Kaffee oder das Feierabend-Bier zu bezahlen.

Die Blockchain skaliert nicht!

Viele Entwickler haben das Skalierungsproblem der Blockchain erkannt und suchen nach neuen Lösungswegen. Die IOTA Gründer Sergey Ivancheglo, Serguei Popov, Dominik Schiener und David Sønstebø haben sich diesem Problem angenommen. Sie suchten nach einem neuen Ansatz und entwickelten ein System ohne Skalierungs- und Kostenprobleme. Ein System, mit dem Werte und Daten, offen oder verschlüsselt, vor allem aber kostenlos und dezentral ausgetauscht werden können. Als Grundgerüst setzt das Team auf einen gerichteten azyklischen Graphen, einem mathematischen Konstrukt. Hier gibt es weder Blöcke noch Miner. Im Mittelpunkt steht die Transaktion und der Benutzer. Der Tangle war geboren und wurde in einem Whitepaper durch den Mathematik-Professor Serguei Popov ausführlich beschrieben. Im Jahr darauf wurde die erste IOTA Referenz Implementierung, kurz IRI, in der Programmiersprache Java umgesetzt. Die Grundregel ist einfach: Wenn jemand eine Transaktion versenden möchte, muss er zuvor zwei andere zufällig gewählte Transaktionen validieren. Somit umgeht man das Flaschenhals-Problem der Blockchain und hat ein skalierbares System. Es wird keine hohe Rechenleistung mehr gebraucht und gleichzeitig wird das System schneller, je mehr es genutzt wird. Der Tangle ist also so etwas wie eine mehrspurige Transaktions-Kette. Bildlich beschreiben kann man die Funktionsweise des Tangle und der Blockchain mit einem zweistöckigen Kaufhaus vergleichen. Der Eingang befindet sich im Erdgeschoss, die Kasse und der Ausgang im Obergeschoss. Das Blockchain Kaufhaus bietet seinen Kunden einen Aufzug, der sie nach oben befördert. Dieser kommt alle 10 Minuten und es gibt einen bestechlichen Fahrscheinautomaten, der denjenigen mit dem höchsten Gebot den Vortritt lässt. Immerhin kommt man so sehr gemütlich nach oben - es sei denn, man kann mit den Eintrittspreisen nicht mithalten. Wenn viele Kunden kommen, kann das Ganze schnell ungemütlich werden. Im Vergleich wäre der Tangle ein Kaufhaus mit einer einfachen Treppe. Diese ist kostenlos begehbar und jeder kann die Stufen zum Ausgang selbst hinaufsteigen, ohne warten zu müssen. Die Grenzen der Skalierbarkeit bei einem Besucheransturm ist die Breite der Treppe. So auch beim Tangle, dessen Kapazität am Ende durch die Bandbreite beschränkt wird.

TODO: SVG IOTA TANGLE IOTA Tangle

Obige Illustration veranschaulicht die Grundstruktur des Tangle. Jede Transaktion referenziert zwei andere Transaktionen. Die blauen Transaktionen gelten bereits als sicher bestätigt, die grauen wurden erst vor Kurzem referenziert. Die weißen Blöcke nennt man Tips. Tips sind noch unbestätigte Transaktionen, die noch von neuen Transaktionen referenziert werden müssen. Derzeit gelten Transaktionen nur dann als sicher bestätigt, wenn sie direkt oder indirekt vom Koordinator referenziert wurden. Der Koordinator ist aktuell wohl IOTAs größter Kritikpunkt beim Thema Dezentralität, da dieser den Tangle in gewisser Weise zentralisiert. Der Koordinator kann allerdings nur Transaktionen bestätigen. Er kann weder Konsens-Regeln umgehen, noch kann er Token neu erschaffen, einfrieren oder entwenden. Sein Quellcode ist öffentlich einsehbar, ebenso wie die Pläne und Prototypen, um den Koordinator zu dezentralisieren. Die Abschaffung des Koordinators trägt den Projektnamen Coordicide, der “Tod des Koordinators”, und hat bei der IOTA Stiftung höchste Priorität.

IOTA, mehr als eine Kryptowährung

IOTA Token werden, genau wie Bitcoins, an Börsen gehandelt und haben einen bestimmten Wert. Allerdings geht die Vision weit über ein reines Zahlungsmittel hinaus. IOTA will zu dem offenen Standard des Internet der Dinge werden. Ein Standard für den Werte- und Datenaustausch der Zukunft. Mit dem Tangle wird es möglich sein, dass Autos autonom die Ladestation, Schranke oder den Parkplatz bezahlen. Drohnen, die Pakete ausliefern, werden ihre Zieldaten und Updates aus dem Tangle beziehen und sie können sicher sein, dass diese Daten von einer vertrauenswürdigen Quelle kommen. Dadurch, dass keine Gebühren anfallen, sind sogenannte Mikrozahlungen möglich, also Zahlungen, die weniger als 1 Cent Wert sind. Damit kann man zum Beispiel Daten und Energie in Kleinstmengen kaufen. Neue Geschäftsmodelle nach dem “Bezahl was du nutzt” Modell sind in allen erdenklichen Bereichen möglich. Der Tangle ist mehr als nur eine Kryptowährung, er bildet die Grundlage für die nächste industrielle Revolution. Er stellt das Protokoll bereit, mit dem Menschen und Maschinen kostenfrei und sicher Daten und Werte austauschen können.

Daten im Mittelpunkt

Daten gelten schon heute als ein wertvolles Gut. In Zukunft werden wir immer mehr Daten erfassen und speichern. Die Anzahl der mit dem dem Internet verbundenen Geräte und die Menge an gespeicherten Daten steigt kontinuierlich an. Doch worin liegt der Wert dieser Daten? Ein riesiger Teil der Daten ist heute ausschließlich privat verfügbar und gespeichert in riesigen Datensilos, exklusiv für einige wenige Unternehmen nutzbar. Mit IOTA kann die Zugänglichkeit dieser Daten für jedermann möglich gemacht werden. Die Erzeuger der Daten können selbst entscheiden, ob sie die Daten frei zur Verfügung stellen, oder auf Marktplätzen zum Verkauf anbieten. Damit entstehen völlig neue Geschäftsmodelle. Die Zusammenführung großer Datenmengen ermöglicht zum Beispiel, dass Fehler in Produktionsabläufen oder Unfälle im Straßenverkehr präventiv verhindert werden können. Mit Hilfe des Tangles ist es auch möglich, Transaktionen mit Datenpaketen zu senden. Diese Transaktionen müssen keine IOTA Token enthalten und können von jedem erstellt und versendet werden. Somit können selbst kleinste Geräte stetig Sensordaten an den Tangle senden. Auf dem IOTA-Protokoll aufbauende Technologien wie MAM (Masked Authenticated Messaging) machen es möglich, Daten verschlüsselt und verkettet im Tangle zu speichern. Verkettete Transaktionen erlauben es, sogenannte Datenkanäle zu eröffnen und darin immer wieder neue Daten zu veröffentlichen. Diese Daten werden mit einem Zeitstempel versehen und sind nicht mehr änderbar. Nur derjenige, der über die entsprechende Berechtigung verfügt, kann neue Transaktionen an den Kanal anhängen. Ein Beispiel wäre ein Temperatur- oder ein CO2-Sensor, der das Ergebnis neuer Messungen in einem Kanal veröffentlicht. Damit können ganze Datensätze auf Marktplätzen zum Verkauf oder Abonnement angeboten werden. Käufer erhalten Zugang zu diesen Kanälen und können die zum Kanal gehörigen Datensätze verwenden.

Nicht ganz dezentral, aber bald!

Der Tangle wird derzeit durch den sogenannten Koordinator überwacht. Er gibt dem Tangle den Takt für die Synchronisierung der Fullnodes vor. Fullnodes sind die Server auf denen die IOTA Referenz Implementierung betrieben wird. Durch den Koordinator ist der Tangle aktuell noch zentralisiert. Allerdings sind die Datenbanken selbst, welche sich auf den Fullnodes der Netzwerkteilnehmer befinden, auf der ganzen Welt verstreut und damit bereits jetzt dezentral verteilt. Die IOTA Stiftung arbeitet derzeit daran, den Koordinator abzuschalten und somit den letzten zentralen Teil des Tangles zu entfernen. Weitere Informationen über den Coordicide kannst du im Artikel Was ist der Coordicide? auf Seite 58 nachlesen.

Wertecheck

  • Gebührenfrei
  • Skalierbarkeit
  • Datenintegrität